Mit der Sprachrakete ins Weltall
Studien I – Warum Frauen seltener Astronaut werden
Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Identitätspolitischer Glaubensatz über Frauen und ihre Berufswahl
Eine Studie mit dem Titel „Yes, I can!“ wird besonders oft zitiert, wenn die positive Wirkung „geschlechtergerechter“ Sprache belegt werden soll. In dieser Studie wurden 591 deutschen und belgischen Grundschulkindern Berufsbezeichnungen vorgelegt, mal nur in der generisch maskulinen Form (Erfinder, Kosmetiker) und mal in Form der Doppelnennung: Erfinder und Erfinderinnen, Kosmetiker und Kosmetikerinnen. Das Ergebnis der Studie wird allerdings oft irreführend wiedergegeben.
Beispiel: Ein Interview der Frankfurter Rundschau vom September 2020 mit Sabine Sczesny, Sozialpsychologin und dezidierte Befürworterin der Gendersprache. Sie bezieht sich ganz offensichtlich auf diese Studie und bewertet deren Ergebnis so: „Wenn die Bezeichnungen sowohl männlich als auch weiblich waren, interessierten sich mehr Mädchen für männlich typisierte Berufe wie bei der Polizei und trauten Frauen in diesen Berufen mehr Erfolg zu. Langfristig kann sich die Sprache so auf die Gesellschaft auswirken.“
Die Polizei kommt in dieser Studie zwar nicht vor. Tatsächlich aber haben in der Untersuchung Mädchen die Frage, ob sie sich etwa den Beruf des Astronauten für sich vorstellen können, ein bisschen(!) häufiger bejaht, sobald nach „Astronautin oder Astronaut“ und nicht nur nach „Astronaut“ gefragt wurde. Hinzu kommt aber ein sehr entscheidender Punkt: Bei den Jungen war das genauso! Auch Jungen trauten sich den Astronautenberuf häufiger zu, wenn die weibliche Form extra genannt wurde.
Im Klartext heißt das: Im Vergleich zu Mädchen trauen sich Jungen einen Job im All immer etwas häufiger zu – egal ob nur die männliche Form genannt wird oder beide Formen. Auch der Abstand zwischen Jungen und Mädchen ändert sich praktisch nicht. Die Studie belegt also keineswegs, dass der Frauenanteil im Weltraum durchs Gendern steigen würde. Im Gegenteil!
Was wirklich zählt auf dem Weg ins Weltall
Immerhin: Die Nennung der weiblichen Variante lässt Männerberufe für alle Kinder etwas erreichbarer erscheinen. Wäre das Gendern also zur Förderung kindlichen Selbstbewusstseins erstrebenswert? Dabei muss man sich allerdings fragen: Warum um Himmels Willen trauen sich auch Jungen den Astronautenberuf eher zu, wenn die „Astronautin“ extra genannt wird? Die Studie selbst legt folgende Antwort nahe: Tätigkeiten, die auch Frauen erledigen, erscheinen Mädchen wie Jungen gleichermaßen als „leichter“. Ursache dürfte sein, dass bisher in der Tat Frauen eher Berufe ausgeübt haben, die als weniger „kompliziert“ gelten. So haben die Studienmacher selbst etwa als typische Männerberufe ausgewählt: „Astronaut“, „Erfinder“, „Bürgermeister“. Als typische Frauenberufe haben sie dagegen gewertet: „Raumpfleger“, „Kosmetiker“, „Blumenverkäufer“. Interessanterweise haben die Jungen den Status der „Männerberufe“ auf einer Skala von 1 – 5 mit 4,09 bewertet, den der „Frauenberufe“ immerhin mit 3,19. Mich überrascht hier positiv, wieviel Respekt Jungen etwa dem Job des „Raumpflegers“ im Vergleich zum „Erfinder“ zollen. Wichtiger ist aber folgendes: Der Effekt „Frauenarbeit ist leichter“ wird verschwinden. Denn schon jetzt wandeln sich immer mehr prestigeträchtige und „komplizierte“ Berufe zu Frauenberufen. Das gilt etwa für die Gewerke Arzt und Lehrer und in begrenztem Umfang zum Beispiel auch für Architekt und Journalist. Und je mehr Frauen ihr Interesse am Maschinenbau entdecken sollten, umso mehr dürfte der Effekt entschwinden. Dann wär‘s vorbei mit dem Booster fürs kindliche Streben in den Weltraum. Der Schaden an unserer Sprache wäre allerdings schon angerichtet.
Antworten aus dem Labor
Solchen Studien ist gemein, dass die Antworten unter „Laborbedingungen“ entstehen und dann der Eindruck erweckt wird, dass der gemessene (und teils minimale) Effekt eine große Auswirkung auf die Lebensentscheidungen von Frauen und Männern habe. Aber wieviel Einfluss hat die bloße Bezeichnung „Astronautin“ auf dem langen Weg vom Grundschulkind zur Weltraumfahrerin wirklich? „Vor allem unterschätzen euphorische Exegeten solcher Tests wie so oft die eigentlich relevanten Faktoren des wahren Lebens. Aus der Sozialforschung sind die Determinanten bekannt, die bei der Berufswahl eine Rolle spielen. Schulabschluss, Arbeitsmarkt, sozialer Hintergrund, Verdienstaussichten, der Rat der Eltern, Talente und Neigungen sind nur einige davon.“ (Marcus Lorenz in „Die Welt“, 30.04.2021)
„Denn sie wissen nicht, was sie tun?“
Das Gendern soll Frauen den Weg in Männerberufe öffnen. Denn die Sprache verfestige Rollenmuster, heißt es. Vehemente Anhänger der Gendersprache sagen deshalb: Wenn wir zum Beispiel durchgehend von „Ärztinnen und Ärzten“ reden, dann fassten mehr Mädchen den Mut, ja kämen erst auf die Idee, klassische Männerberufe zu ergreifen. Aber wie kann es dann sein, dass seit Jahren mehr Frauen als Männer Ärzte werden? Jetzt schon ist jeder zweite Arzt eine Frau, Tendenz steigend. Die Medizin-Studienanfänger sind zu zwei Dritteln weiblich. Derzeit sind bereits 76% der Psychotherapeuten weiblich, die Augen- und Hausärzte schon zu knapp 50%. Bei den Chirurgen beträgt der Frauenanteil allerdings nur 15%. Kann es sein, dass berufliche Präferenzen der Frauen hier die entscheidende Rolle spielen und nicht das Gendern der Berufsbezeichnung?
Männer machen Frauen sichtbar – als Kameramänner und Techniker
Schauen wir in unsere eigene Branche, den Journalismus. Mittlerweile sind fast 50% der Journalisten Frauen, Tendenz steigend. Unter den Rundfunk-Volontären sind es schon gut 60%. Wie konnte es über die Jahre dazu kommen ohne Gendersprache? Allerdings: Wenn ich bei Xing nach „Kamerafrau bzw. Kameramann + Rundfunk und Fernsehen“ suche, dann liefert mir die Suche zu 86% Männer und nur zu 14% Frauen.
Wenn wir uns als Gesellschaft mehr Chirurginnen und mehr Kamerafrauen wünschen, dann sollten wir Mädchen und Frauen die Vorzüge dieser Berufe nahebringen. Das Gendern ist offensichtlich irrelevant. Sonst könnte es nicht so viele Psychotherapeutinnen, Augenärztinnen, Hausärztinnen und Journalistinnen geben.