Das Männlein vom Amt und die Lösung des „Genderproblems“

„Herr Müller, schön, dass Sie(!) da sind!“ / „Die(!) Männer und ihre(!) Rechte.“

Das „ungerechte“ generische Femininum

Wenn es tatsächlich nicht mehr zumutbar sein sollte, das generische Maskulinum zu verwenden, dann liegt eine ganz einfache Lösung auf der Hand: Wir schaffen – analog zu anderen Sprachen wie Englisch und Türkisch – die weibliche Movierung (Endung) ab. Wir haben ja auch das „Fräulein“ abgeschafft und nicht das „Männlein“ (als Bezeichnung für unverheiratete Männer) eingeführt.

„President“ ist „President“ – ein Wort für alle ist die Lösung!

Wir sollten also in Zukunft alle nur noch „Bürger“ sein. Eine „Bürgerin“ gäbe es dann nicht mehr. Durch Gewohnheit werden wir „Bürger“ dann bald auch nicht mehr für männlich halten – so wie Englischsprecher etwa einen „citizen“, einen „president“ oder einen „senator“ auch nicht per se für männlich halten – und so wie wir ja immer wussten, sogar im Schlaf, dass zu den „Wählern“ bei einer Bundestagswahl auch Frauen gehören und ein Kundenparkplatz keineswegs ein Parkplatz ist, der nur für Männer vorgesehen ist.

Und was die Artikel und Pronomen angeht, ist die deutsche Sprache sowieso schon „geschlechtergerechter“ als viele denken:

Denn im generischen Singular sind wir zwar alle „männlich“: „Der Bürger und seine Rechte“.
Im generischen Plural sind wir alle aber „weiblich“: „Die(!) Bürger und ihre(!) Rechte“.
(Nur im Dativ gibt es eine eigene Form, die weder im männlichen noch weiblichen Singular eine Parallele hat.)

Das „generische Femininum“

Die Frauen haben das Privileg, dass ihnen im Singular und Plural die gleichen Artikel und Pronomen zugeordnet werden: „Die Frau und ihre Rechte“ – „Die Frauen und ihre Rechte“.
Wir Männer müssen bereits hinnehmen, dass im Plural unser männlicher Artikel und unsere Pronomen durch die weiblichen Formen ersetzt werden: „Der Mann und seine Rechte“ – „Die(!) Männer und ihre(!) Rechte“.
Obendrein müssen wir Männer bereits hinnehmen, dass wir in der Höflichkeitsform zu „Frauen“ werden: „Herr Müller, schön, dass Sie(!) da sind und Ihre(!) Gedanken beisteuern.“

Ich bin überzeugt, dass Sprache im Kontext funktioniert und „Gerechtigkeit“ nicht durch Grammatik hergestellt werden kann. Weder führt das „generisch“ Feminine in der Sprache („Die(!) Bürger und ihre(!) Rechte“) zu echten Nachteilen für Männer noch führt das generisch Maskuline („Jeder Bürger hat die gleichen Rechte“) zu Nachteilen für Frauen. Aber wenn es denn partout mehr Gleichheit in der Sprache geben soll, sollte es durch Vereinfachung erreicht werden und nicht durch Verkomplizierung – wie dies ganz erheblich durchs Gendern passieren würde.

Substantiv: kein Wort mehr für alle

Kein Wort mehr für alle

Das Substantiv-Problem

Jede*r Jeck*in ist anders!

Kölsche weisheit (Gegendert)

Den prototypischen „Teilnehmer“, „Arzt“ oder „Zuschauer“ soll es in der „geschlechtergerechten“ Sprache nicht mehr geben. Das generische Maskulinum soll abgelöst werden durch Doppel­nennungen, Partizipien, Umschreibungen und natürlich die Sternchen-Wörter (oder Gender-Doppelpunkt-Wörter). Aber was sagt man dann zum Beispiel als Journalist in einem Beitrag über verschiedene originelle Typen aus dem Rheinland. Vielen fällt da bestimmt die kölsche Weisheit ein: „Jeder Jeck ist anders!“ Das geht „gendergerecht“ nicht mehr. Definieren wir die Sache mal durch:

  • „Jede*r Jeck*in ist anders!“ Das wäre erlaubt, aber wie spricht man das aus in Radio und Fernsehen?
  • Oder wir sagen vielleicht: „Jede Jeckin und jeder Jeck ist anders!“ Gnadenlos spröde. Und obendrein sprachlich falsch. Denn hier werden die Menschen nach Geschlecht getrennt und verglichen. Ich will aber alle (!) in einem Topf haben und vergleichen.
  • „Alle Jeck*innen sind anders.“ Wieder sprachlich falsch. Denn „anders“ sein kann nur ein Einzelner im Vergleich mit einem anderen Einzelnen. Oder eine Gruppe („alle Jecken“) im Vergleich mit einer anderen Gruppe („allen Jounalisten“).
  • Es bleibt höchstens: „Alle Jeck*innen unterscheiden sich voneinander.“

Sind solche Sätze unsere Zukunft? „Alle Jeck*innen unterscheiden sich voneinander.“ Alte Kölner würden wohl sagen: Solchen Formulierungen fehlt schlicht „dat Hätz“, das Herz. Ich empfinde Gendersprache als unpersönlich, technisch und „kalt“.

Es kann die oder der Frömmste nicht in Frieden leben,
wenn es der oder dem bösen Nachbar*in nicht gefällt.

Friedrich Schiller, Wilhelm Tell (Gegendert)

Apropos kalt. Wie dichtet man gendersensibel? Was bedeutet das für unser kulturelles Erbe und unsere lyrische Zukunft? Müsste Friedrich Schiller heute zu der Erkenntnis gelangen: „Es kann die oder der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es der oder dem bösen Nachbarn*in nicht gefällt.“Würde Paul Celan uns erschüttern mit den Worten „Der Tod ist ein*e Meister*in aus Deutschland“? Würde Andreas Bourani uns im Fußballrausch Arm in Arm singen lassen: „Hier geht jede und jeder für jede und jeden durchs Feuer“. Ein Aktivist kann dazu sagen: Dann sollen sich die Dichter*innen, Bühnenautor*innen, Drehbuchschreiber*innen und Songtexter*innen eben andere Sätze ausdenken. Okay, aber genau das zeigt: Die Gendersprache nimmt Möglichkeiten und schenkt keine einzige. Vielfalt ade. Mehr zum Thema „Gendern und Kultur“ hier.

Mama! Papa! Ihr seid eine Vollidiotin und ein Vollidiot!

(Gendernde) Pubertierende zu ihren Eltern

Wie wird man gendergerecht wütend? Was zum Beispiel passiert, wenn eine Pubertierende ihren Eltern vorhält: „Ihr seid Vollidioten!“? Heißt es dann zurechtweisend: „Wenn schon, dann sind wir eine Vollidiotin und ein Vollidiot. Oder Vollidiot*innen.“ Geschlechtersensibel ausrasten – die gerechte Zukunft hält große Herausforderungen für uns alle bereit.

Oder soll sich die Alltagssprache von der offiziösen Sprache unterscheiden? „Geschlechtersensibel“ in der Öffentlichkeit sprechen und „sexistisch“ im Alltag? Darf das sein? Wohl kaum. Sagen wir also bald: „Meine Kollegin ist der oder die beste Journalist*in, den oder die ich kenne.“? Und wenn man sagt: „Meine Kollegin ist die beste Journalistin, die ich kenne.“ Wird man dann angepfiffen: „Meinst Du etwa, sie ist nur die beste Frau, und mit den Männern kann sie es nicht aufnehmen, Du Sexist.“? Oder man sagt wie früher üblich: „Meine Kollegin ist der beste Journalist, den ich kenne.“ Dann heißt es: „Sie ist kein Journalist, sondern eine Journalistin, Du Sexist.“ Ich befürchte: In Zukunft hält man besser den Mund und klemmt sich so ein Lob.

Ganz besonders im Singular ist das Gendern ein Problem. Im Plural funktionieren Sternchen oder Doppelpunkt (mehr schlecht als recht), weil übergreifend der weibliche Artikel „die“ verwendet wird und auch die Pronomen einheitlich sind. Im Singular gilt das nicht. Hier unterscheiden sich Artikel und Pronomen.

Boris Palmer ist der umstrittenste grüne Politiker.  Wie sagen wir das in Zukunft? Wohl kaum: Boris Palmer ist der oder die umstrittenste grüne Politiker*in. Darin steckt der inhaltliche Unsinn, Palmer könnte ein Politiker oder eine Politikerin sein. Es bleibt also „gendergerecht“ nur eine quälend umständliche Formulierung wie: Boris Palmer ist unter den grünen Politikerinnen und Politikern die umstrittenste Person. Prägnanz ade.

Ich bin ein Berliner und wäre, wenn ich eine Frau wäre, eine Berlinerin!

(Gendernder) John F. Kennedy

Die Sprache wird durch das Gendern unnötig sexualisiert. Deutlich wird das etwa an John F. Kennedys berühmtem Ausspruch: Ich bin ein Berliner! Dieser Satz müsste ihm heute ersatzlos aus dem Manuskript gestrichen werden. Denn die Formulierung „Ich bin ein Berliner oder eine Berlinerin“ wäre für den Mann Kennedy offenkundig unsinnig. „Ich bin eine*e Berliner*in“ wäre unaussprechbar.

Kennedy könnte seinen Satz heute „geschlechtergerecht“ nur wie folgt formulieren: „Ich bin ein Berliner oder, wenn ich eine Frau wäre, eine Berlinerin!“ Dabei wären die non-binären Berliner noch nicht einmal einbezogen. Und natürlich funktioniert so eine Rede nicht. Sie braucht Prägnanz. Vor allem aber gilt: Es kommt in diesem Zusammenhang eben grade nicht auf die geschlechtliche Vielfalt an. Kennedy wollte damals sagen, alle freiheitsliebenden Menschen sind „ein Berliner“. Einer! Einer für alle. Nicht zwei verschiedene, ähnliche Typen von Mensch. Nein: ein (!) Berliner. In der sexualisierten Sprache soll es aber kein Wort mehr für alle geben.

Sexualisierung – von der Pflicht, ständig alle Geschlechter nennen zu müssen

In jeder Nachricht, egal zu welchem Thema, egal ob wichtig oder banal, sollen wir nun stets zum Ausdruck bringen, dass sowohl von Frauen als auch von Männern als auch von Menschen mit weiterem oder ohne Geschlecht die Rede ist. Immer. Und immer wieder. Verkehrsteilnehmer*innen, Beitragszahlende, US-Amerikaner und US-Amerikanerinnen.

Vor allem sobald zwei oder mehr Personen in einem Satz vorkommen, kann es zur Tortur werden: „Fragen Sie Ihre Ärztin oder Ihren Arzt oder ihre Apothekerin oder Ihren Apotheker!“ Das werden wir nun ständig zu hören bekommen.

Auf dem Weg in die „entmenschlichte“ Sprache

Was wird das Ende vom Lied sein? Es wird die „Entmenschlichung“ der Sprache sein. Wir werden um Menschen herumformulieren. Wir werden ständig von Apotheken statt von Apothekern, von Praxen statt von Ärzten, von Behörden statt von Beamten reden und schreiben. Apparate, Institutionen ersetzen Menschen, Hauptsache neutral.


Fazit zum Substantiv-Problem


Problem für den Alltag

Gendern teilt Menschen auf, wo sie nicht aufgeteilt gehören. Es macht Reden und Schreiben umständlicher und unpersönlicher.

Verlust für die Sprache

Es gibt kein Wort mehr für alle. Gendern macht die Verwendung von Platzhalter-Substantiven und des Singulars oft geradezu unmöglich.

Wer glaubt, die Lösung könnte sein, von Verbrauchenden statt von
Verbraucherinnen und Verbrauchern zu sprechen, der lese bitte hier weiter:
„Wenn Mordende auf Richtende treffen – Der Missbrauch des Partizips“

Partizip: Grammatik-Missbrauch

Wenn Mordende auf Richtende treffen

Der Missbrauch des Partizips

Tote Autofahrende sind Zombies!

Grausame Wahrheit über das Gendern

Wer Gendern für eine gute Idee hält und zum Beispiel Gerichtsreporter ist, sollte sich fragen: Möchte ich wirklich einen Gerichtssaal betreten, in dem gerade Mordende auf Richtende treffen?

Genau so passiert es nämlich in einer gegenderten Welt. Das Partizip – genauer: das substantivierte Partizip Präsens – soll regelmäßig das Substantiv ersetzen können. Mitarbeiter sollen zu Mitarbeitenden werden – unabhängig davon, ob sie gerade wirklich mitarbeiten oder im Urlaub sind. Der Mörder bleibt in dieser Logik also stets Mordender – auch wenn er gerade nicht dabei ist, jemand um die Ecke zu bringen. Natürlich ist das grammatischer Unsinn. Das Partizip wurde nicht als Ersatzspieler für das Substantiv erfunden. Es hat eine ganz eigene Funktion: Es ist die Ablaufform.


Hefte raus! Grammatik für Gendernde.

  • Das Substantiv verleiht einem Menschen eine grundsätzliche Funktion oder Eigenschaft.
  • Das substantivierte Partizip Präsens bezeichnet jemanden, der gerade etwas Bestimmtes tut.

Das sind Jogger, die was trinken.
Aber das sind keine Joggenden, die was trinken!

Nur das sind Joggende, die was trinken!


Nach einer Wahl von frustrierten Wahlkämpfenden einer Verlierer-Partei zu berichten, ist Quatsch. Sie sind keine „Wahlkämpfenden“ mehr. Ex-Kanzler Gerhard Schröder galt immer als „guter Wahlkämpfer.“ Ein konkret „Wahlkämpfender“ war er aber nur selten. Max Goldt hat es mit einem anderen Beispiel auf den Punkt gebracht. Man könne nach einem Massaker an einer Universität nicht sagen: „Die Bevölkerung beweint die sterbenden Studierenden“. Denn niemand kann gleichzeitig sterben und studieren. Andere haben darauf hingewiesen, dass verunglückte Autofahrende vermutlich Fahrerflucht begehen, wohingegen verunglückten Autofahrern dringend geholfen werden sollte. Und bei einem Unfall verstorbene Autofahrende sind Zombies oder Engel.

Polizei kontrolliert Radfahrende

Unnsinn! Das würde nur stimmen, Wenn die Polizei Radfahrer während(!) der Fahrt kontrolliert

Das „Partizipieren“ erspart uns im Singular dabei noch nicht einmal die Doppelnennung, wegen des Artikels. Es gibt eben die Mordende und den Mordenden. Der Missbrauch des Partizips zum Zwecke des Genderns ist schlicht Nonsens und beraubt die Sprache einer wichtigen Möglichkeit zur Differenzierung. Sich im Vorfeld einer Veranstaltung an Teilnehmende zu wenden, ist falsch. Es sind Teilnehmer. Erst während der Veranstaltung sind sie Teilnehmende. Und so kann es „nicht arbeitende Arbeiter“ geben, aber keine „nicht arbeitenden Arbeitenden“.

Im Singular führt das Gendern ohnehin zu unsprechbaren Satzungetümen. Hier bringt auch die „Partizipierung“ keine Erleichterung. Entweder heißt es: „Wir suchen eine*n erfahrene*n Kursleiter*in.“ Oder es heißt: „Wir suchen eine*n erfahrene*n Kursleitende*n.“

Zurück zum Gericht: Natürlich muss man das Partizip nicht verwenden. Man kann es als Gendernder oder Gendernde auch anders ausdrücken: Mörderinnen und MörderRichter*innenPersonen, die einen Mord begangen habenzu Gericht Sitzende …“. Auf jeden Fall wird es lang, es wird mühsam, es wird kompliziert. Und wo wir dabei sind: Können Frauen aus ihrem Herzen eigentlich noch eine Mördergrube machen – oder muss es eine „Mörder*ingrube“ sein?

Folgeproblem: Substantive ohne verwandtes Verb

Für viele Bezeichnungen kann eh kein Partizip gebildet werden. Nämlich dann, wenn es kein Verb dazu gibt. Beispiel: Augenoptiker. Eine „Augenoptikende“ wird es nicht geben können, weil das Verb „optiken“ fehlt. Beispielsatz: „Ein Augenoptiker verdient weniger als ein Chirurg“. Hier ginge in der gesprochenen Gendersprache nur umständlich: „Eine Augenoptikerin oder ein Augenoptiker verdient weniger als eine Chirurgin oder ein Chirurg“.

Typisch Gendersprache folgt auch daraus: Ständig muss die grammatische Form gewechselt werden. Mal geht das „Partizipieren“ (mehr schlecht als recht), mal geht es gar nicht.

Die Azubine und Lisa, der Studi – Volksmund vs. sprachliche Korrektheit

Der Volksmund hat übrigens frühe Möglichkeiten zum geschlechtersensiblen Sprechen ausgeschlagen. So wurden aus den Auszubildenden schnell Azubis, die dann in bewährter Weise „unfair“ gegendert werden: „Der Azubi ist eine Pfeife, aber die Azubine ist ein echter Glücksgriff.“ Auch aus den langatmigen Studierenden werden oft Studis, was zu „ungerechten“ Sätzen führt wie „Lisa ist ein Studi.“ Die Menschen spielen im Alltag bei der Verkomplizierung des Sprechens durchs Gendern nicht ohne weiteres mit. Denn die natürliche Sprachentwicklung strebt nach Abkürzung, nicht nach Aufblähung und Verkomplizierung. Gendern ist eine – durch Leitfäden, Richtlinien und sozialen Druck – verordnete Sprachentwicklung und keine natürliche.

„Unfaire“ Komposita und Adjektive

Können Frauen eigentlich noch „Meisterwerke“ schaffen? Wir lernen jetzt doch, dass nur noch Männer „Meister“ sein können. Frauen können nur noch „Meisterinnen“ sein. Schaffen sie also „Meister*inwerke“? Müssen Frauen – gemäß Gendersprachlogik – nicht unbedingt mit solchen Begriffen sichtbar gemacht werden? Oder zählt die angeblich so wirksame Sprachpsychologie hier nicht?

Und was ist mit „gönnerhaften“ Frauen? Sind sie nun „gönner*inhaft“ oder gar „gönner*innenhaft“? Können Frauen noch „freundlich“ sein? Oder sind sie gegebenenfalls „freund*inlich“? Überhaupt: Schließt man als Mann in Zukunft mit einer Frau eine „Freund*inschaft“ und eine Frau mit einer anderen Frau dagegen eine „Freundinnenschaft“? Oder zählt das Argument „Sichtbarkeit“ hier plötzlich nicht mehr? Ich vermute: „Die oder der eine sagt so, die oder der andere sagt so.“

„Unfaire“ Ableitungen

Ausrangieren müssten wir in einer gegenderten Welt wohl auch die Möglichkeit, einen Betrieb, eine Einrichtung oder Institution durch das Anhängen der Wortendung „-ei“ zu bezeichnen, etwa „Bäckerei“. Denn wir werden wohl kaum „Bäcker*inei“ oder in der partizipialen Ausweichkonstruktion „Backendenei“ sagen wollen. Das Ende vom Lied: Wir müssen jedes Mal ein unpersönliches Ersatzwort suchen, hier vielleicht „Backladen.“ Und wieder stirbt damit ein Stück grammatische Intelligenz.


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Das Komposita-Problem

Bürger*innenmeister*inkandidat*innen

Das Komposita-Problem

Das „Redepult“ will auch mal was sagen!

Angriff aufs Sprachgefühl

Manch einer wird schon von ihnen gehört haben: den Bürger*innenmeister*inkandidat*innen. Gegendertes Deutsch hat ein gewaltiges Problem mit den wichtigen Komposita, den zusammengesetzten Wörtern. Denn es holpert im Sprechen und Schreiben besonders stark, wenn mitten in einem Wort gegendert wird. Außerdem gibt es viele Wörter, in denen muss innerhalb eines einzigen Wortes gleich zwei- oder dreifach gegendert werden, wenn man „fair“ formulieren will. Bei der Bundestagswahl 2021 ließ sich das Komposita-Problem gut beobachten.

Es gab ja mehrfach ein „Triell der Kanzlerkandidaten“, korrekt gegendert also ein „Triell der Kanzler*inkandidat*innen“. Die meisten gendernden Journalisten vermieden diesen aufgeblähten Begriff allerdings und genderten inkonsequent. Oft hieß es nur „Triell der Kanzlerkandidat*innen“. Manche meinten gar die Sperrigkeit der Gendersprache mit Begriffen wie „Dreikampf ums Kanzleramt“ umschiffen zu können. Aber natürlich muss es „geschlechtergerecht“ immer um das „Kanzler*inamt“ gehen. Und aufgepasst! Mit dem Gendern kommt es innerhalb der Komposita plötzlich auf Singular und Plural an. Es geht um eine (!) Kanzlerstelle aber mehrere (!) Kandidaten. Es muss also heißen: Kanzler*inkandidat*innen und nicht etwa Kanzler*innenkandidat*innen – zumindest solange es kein Kanzlerkollegium an der Regierungsspitze gibt. Die Sprache verbiegt sonst unsere Verfassungswirklichkeit.

Auch die Doppelnennung wird sperrig und es muss auf Singular und Plural geachtet werden: „Triell von Kanzlerkandidatin und Kanzlerkandidaten“. Wie wird es ausgehen? Oft werden wir Journalisten ausweichen. „Das Triell zur Bundestagswahl“. Aber der Focus soll ja auf der Kanzlerschaft liegen. Okay: „Triell zur Kanzler*inwahl“. Puh, geht zur Not. Aber unpräzise. Wer genau duelliert sich da? Kanzlerkandidaten oder Fürsprecher der Kanzlerkandidaten? Oder gegendert gefragt: „Kanzler*inkandidat*innen oder Fürsprecher*innen der Kanzler*inkandidat*innen?“

Die Sprache wird kompliziert. Werden uns bald Verbraucher*innenschützer*innen vor Gift in Lebensmitteln warnen? Kämpfen bald Bürger*innenrechtler*innen um Freiheit in ihren Ländern. Oder wird die Sprache durchs Gendern auch hier „entmenschlicht“. Dann warnt in Zukunft eben nur noch ein „Verband“. Oder wir weichen wieder mal aus ins Passiv: „Es wird um Rechte gekämpft …“. All das verstößt gegen eine Grundregel guter journalistischer Sprache: Wir formulieren möglichst im Aktiv. Wir nennen Ross und Reiter!

Und was ist mit der Einbürger*inung? Egal? Muss nicht sein? Ein bisschen generisches Maskulinum darf sein – wenn es um die Bildung neuer Wörter geht? Werden uns die Aktivist*innen das durchgehen lassen? Wer grundsätzlich das Gendern für notwendig hält, hätte kein triftiges Argument für diese Inkonsequenz. Besonders gruselig könnte es werden, wenn sprachliche „Korrektheit“ im Doppelpack auftritt: „Auf der Einbürger*inungsurkunde steht der Name der oder des Geflüchteten.“ Wird man in Zukunft eine übereifrige Chefin wirklich als Sklav*innentreiberin schmähen wollen? Wie steht es um die Mitwisser*inschaft? Was machen Historiker mit dem Bauernkrieg? Nennen sie ihn bald den Bäuer*innenkrieg? Nein, es wird sich ein neuer Name finden, vielleicht der „Landvolkskrieg“? Naja, manche empfinden das Wort „Volk“ heute als „nationalistisch“. Ernsthaft vorgeschlagen wird: „Krieg der landbewirtschaftenden Bevölkerung“ (geschicktgendern.de).

Wenn einem das Redepult wieder mal dazwischenquatscht …

Viele Komposita stehen jetzt grundsätzlich auf dem Index und sollen umgeformt werden. So sollen wir nicht mehr an ein Rednerpult treten, sondern an ein Redepult. Wieder verliert die Sprache damit an Richtigkeit und an Variantenreichtum. Ich hole kurz aus:

Die Sprechpuppe spricht, die Tragetasche trägt, der Spazierstock spaziert mit, die Sitzecke sitzt auf dem Boden und der Mensch obendrauf.

Das Rednerpult dagegen redet nicht. Es redet auch nicht mit. Das Rednerpult ist eine Abstellgelegenheit für Papier und Wasserglas. Es hält aber den Mund. Das Redepult hingegen will auch mal was sagen.

Die Teilnehmerliste erfasst Menschen mit Namen, Adresse und dergleichen. Eine Teilnahmeliste braucht nur Striche, zum Beispiel 10 Striche für 10 Teilnahmen.

Es ist schade. Bisher konnten wir nach Sprachgefühl differenzieren, ob der Vorgang oder die Person im Mittelpunkt des zu Beschreibenden stehen soll. Der Hütehund betont etwas anderes als der Hirtenhund. Diese Unterscheidungsmöglichkeit wird mit der „geschlechtersensiblen“ Sprache ganz unsensibel ausrangiert. Natürlich ist die deutsche Sprache auch jetzt schon nicht in allen Fällen konsequent. Aber es gibt Regeln, die uns Ausdrucksmöglichkeiten verleihen. Und diese Chancen schwinden mit der Gendersprache. Die Sprache verarmt.


Fazit zum Komposita-Problem


Fazit für den Alltag

Gendern bedeutet, viele Wörter aufzublähen oder abzuschaffen. Die Alternativen werden oft unhandlich, unpersönlich und unpräzise sein.

Verlust für die Sprache

Die Komposita sind eine besondere, berühmte Möglichkeit des Deutschen. Gendern macht ihre Verwendung oft geradezu unmöglich.

Hier geht es weiter zu den „unfairen“ Pronomen

„Unfaire“ Pronomen

Eine oder einer, die oder der nicht will, die oder der hat schon!

(ehemals: „Wer nicht will, der hat schon!“)

„Unfaire“ Pronomen

„Zu spät Kommende bestraft das Leben!“

Gegenderter Michail Gorbatschow

Klar den Kampf angesagt haben überzeugte Gendernde auch den „unfairen“ Pronomen. Zum Problem wird das besonders im Singular. Ganz klar tabu ist natürlich das sexistische man“. Der Satz „Man ist, was man isst soll nicht mehr gesagt werden. Selbst behäbig auszuweichen auf „Jemand ist, was er isstgeht nicht mehr. Denn das Pronomen „er“ generisch zu gebrauchen soll ja nun ebenfalls als „ungerecht“ gelten. Jedwede allgemeine Aussage dieser Art kann „gendersensibel“ nie mehr formuliert werden. Im „fairen“ Büroalltag muss nun Schluss sein mit Fragen wie: „Kann mir mal einer bei dem Text helfen?“ Denn Frauen müssten diese Aufforderung ignorieren. Es muss heißen: „Kann mir mal eine oder einer bei dem Text helfen?“ Werden und wollen wir im Alltag so exaltiert reden? „Kann mir mal jemand bei dem Text helfen?“ wäre vielleicht zulässig. Aber aufgepasst! Der Satz darf nicht mehr erweitert werden. Tabu wäre zum Beispiel: „Kann mir mal jemand, der grade etwas Zeit hat, bei dem Text helfen?“. Denn das generisch maskuline Relativpronomen „der“ soll gemäß Gendersprachregeln nur noch einen Mann meinen dürfen. Die Pronomen „Jemand“, „Niemand“, „Wer“ werden generisch maskulin gebraucht und gehen damit in der Gendersprache nur noch beschränkt. Tabu müssen deshalb in Zukunft empörte Ausrufe sein wie: „Wer hat hier wieder sein Zeug liegen lassen?“ Stattdessen zu sagen: „Wer hat hier wieder Zeug liegen lassen?“ wäre allerdings unpräziser. Wessen Zeug liegt da? Und „Wer hat hier wieder ihr oder sein Zeug liegen lassen?“ wäre unsinnig. Denn „ihr Zeug“ wäre das Zeug von jemand anderem. Wieder mal lautet der Preis des Genderns: Dinge gehen nicht mehr, die Sprache wird ärmer und gewinnt zum Ausgleich keine Ausdrucksmöglichkeiten hinzu.

Eine Alltagsweisheit wie „Wer nicht will, der hat schon!“ muss ausgemustert werden. Denn in Zukunft würde das nur noch für Männer gelten. Die (grammatisch falsche) Alternative würde die Redewendung nicht retten. Denn dann wären nur alle Frauen gemeint: „Wer nicht will, die hat schon!“ Außerdem würde der Spruch für non-binäre Menschen dann generell nicht mehr gelten.

Hier weitere Beispiele für Alltagssätze, die jetzt als „unfair“ gelten sollen: „Ist hier niemand, der mir mal helfen kann?“ – „Das hält keiner aus.“ – „Man muss nicht jeden Scheiß mitmachen!“ – „Niemand sage, er hätte von nichts gewusst!“ – Und was ist mit dem berühmten, so schön alltagstauglichen Gorbatschow-Zitat „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ ? Geht nicht mehr! Schade eigentlich.

Nie wieder werden wir als Journalisten melden können: „Jeder dritte Deutsche …“. Denn „Jede*r dritte Deutsche …“ lässt sich kaum sprechen. Und „Jede dritte und jeder dritte Deutsche …“ wäre eventuell falsch. Denn wer weiß, wie das Verhältnis bei den Geschlechtern genau ist. Und wo blieben dann auch die nicht-binären Deutschen? Man kann es anders ausdrücken. Aber fest steht ein weiteres Mal: Es fallen Möglichkeiten weg. Oft wird vorgeschlagen, „jeder“ durch „alle“ zu ersetzen. Das meint im Kern aber etwas anderes. Es ist der Wechsel vom Singular in den Plural. Deutlich wird das etwa am Beispiel „Jeder Wissenschaftler hat eine Meinung“. Stattdessen zu sagen „Alle Wissenschaftler*innen haben eine Meinung“ bedeutet das Gegenteil.

Einfache Aussagen wie „er ist Lastwagenfahrer, sie auch“ müssen nun als sexistisch gelten. In der Welt des Genderns wird auch niemand mehr über die Eltern des redegewandten Youtubers Rezo sagen können: „Beide sind Pfarrer“. Die Alternative könnte nicht sein: „Beide sind Pfarrer*in.“ Denn weder der Vater noch die Mutter sind gleichzeitig Pfarrer und Pfarrerin. Es bleibt wieder mal nur die umständliche Formulierung: „Seine Mutter ist Pfarrerin und sein Vater ist Pfarrer.“ Denn „Pfarrer*in“ ist keine neue generische Form. Dafür müsste sie ein eigenes grammatisches Geschlecht (Genus) haben. Das aber fehlt. Denn was wäre der richtige Satz? „Der Pfarrer*in ist beliebt in seiner Gemeinde?“ oder „Die Pfarrer*in ist beliebt in ihrer Gemeinde?“ Die knackige Parallelisierung, mit der der Fokus auf den Aspekt gerichtet wird, dass beide Elternteile den gleichen Beruf haben, ist sprachlich nicht mehr möglich. Stattdessen wird nun der Aspekt herausgehoben, dass die Eltern ein unterschiedliches Geschlecht haben. Hier steckt ein Grundproblem. Grammatischer Quatsch wäre deshalb etwa auch eine Meldung wie: „Drei der vier Täter*innen sind bekannte Extremist*innen.“ Denn jeder Täter und jede Täterin ist entweder ein Extremist oder eine Extremistin.


Fazit für das Pronomen-Problem


Problem für den Alltag

Gendern raubt der Sprache Präzision und Prägnanz.

Verlust für die Sprache

Pronomen sind in Schrift und Wort in vielen Situationen nicht mehr benutzbar.

Hier geht es weiter zum Aktiv-Problem

Passiv statt Aktiv – anonyme Sprache

Das Aktiv wird Passiv

Wie Gendern uns zu unpersönlicher Sprache drängt

Breaking News!
Die Regierungschefs haben auf ihrem Gipfel beschlossen, gleich noch einen trinken zu gehen. Die Minister sind schon vorgegangen.

Wie wird aus dieser Meldung eine geschlechtersensible Nachricht? Klar, die Nachricht kann durch Doppelnennungen oder Genderzeichen aufgeblasen werden. In der Realität werden wir damit aber haushalten wollen und oft Ausflucht nehmen zur Passivform – und das wird in Leitfäden ja auch ausdrücklich empfohlen. Hier fiele die Wahl wohl so aus: „Auf dem G-20-Gipfel wurde beschlossen, gleich noch einen trinken zu gehen. Die Ministerinnen und Minister sind schon vorgegangen.“ Früher hätte es in der Abnahme dazu geheißen: „Schreib, wer das beschlossen hat! Wir verwenden möglichst viel Aktiv und möglichst wenig Passiv.“

Das Gendern wird in der Praxis vor allem zum Problem, wenn es in einem Satz zwei oder mehr Personenbezeichnungen gibt. Das Gendern drängt uns zu einer unpersönlicheren Schreib- und Sprechweise.

Und wie ist es im Alltag? Wie bringt man jemanden dazu, ein Fenster geschlechtersensibel zu öffnen? Die Aufforderung „Kann mal einer das Fenster aufmachen!“ muss natürlich tabu sein. Wir werden wohl oft ins Passiv ausweichen: „Kann mal das Fenster aufgemacht werden?“. Früher galt es als gestelzt, so unpersönlich zu reden. Gendersprache verleitet zu distanzierterem Sprechen. Und so wäre es auch beim journalistischen Texten.

Wieviel Konsequenz braucht das Gendern?

Wenn es konsequent nach den Regeln der Gendersprache geht, dann sollen wir Journalisten nun in jeder Meldung, jedem Beitrag, jeder Moderation und jedem Aufsager kleine Sprechpausen in Wörtern einbauen, um die Nicht-Binären in unserer Gesellschaft angemessen vorkommen zu lassen. Wohlgemerkt: Es geht bei der Gender-Pause nicht um Transgenderfrauen oder -männer. Diese sind ja Frauen oder Männer. Es geht um die Menschen mit weiterem oder ohne Geschlecht. Selbstverständlich bin auch ich der Meinung, dass es gut und richtig ist, alte Rollenzwänge über Bord zu werfen. Natürlich muss jede und jeder so leben und sein dürfen, wie sie oder er es will und wie sie oder er einfach ist. Aber dürfen wir Ausnahmen nicht mehr Ausnahmen sein lassen? Müssen wir in jedem unserer journalistischen „Erzeugnisse“ von nun an zum Ausdruck bringen, dass es auch Menschen gibt, die weder Frau noch Mann sind? Ist das Leben dieser Menschen wirklich beeinträchtigt, wenn unser Respekt einfach nur im Praktischen liegt und nicht obendrein in permanenten rituell-symbolischen Bekundungen? Das Gendern liefert keine einzige Zusatzinformation. Es wird immer wieder nur betont, dass es sich um Frauen, Männer und Menschen weiteren Geschlechts handeln könne. Ob tatsächlich alle Geschlechter vertreten sind, wird dabei ja nicht geprüft. Und warum sollen wir nun viele Male in jedem Beitrag auf die geschlechtliche Vielfalt hinweisen, aber nicht darauf, dass Menschen unterschiedlichen Glaubens sein können, unterschiedlicher Herkunft, dick oder dünn, groß oder klein, alt oder jung?


Fazit zum Aktiv-Problem


Problem für den Alltag

Die Gendersprache macht das Schreiben und Sprechen distanzierter und unklarer.

Verlust für die Sprache

Gendern verdrängt teilweise das Aktiv und damit das Subjekt oder Objekt in Sätzen. Das vermindert den Informationsgehalt von Texten.

Hier geht es weiter zum Problem Kultur und Gendern

Gendersprache als Kulturschock

„Der Tod ist ein*e Meister*in aus Deutschland“

Gendersprache als Kulturschock

„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigerinnen und/oder unsern Schuldigern und/oder den nicht-binären Personen, denen wir etwas schulden“

„Faires“ Gebet

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland.“ Dieser einfache, erschütternde Satz über das Grauen der NS-Zeit wäre gegendert nicht mehr möglich. Hier ist unmittelbar zu spüren, wie unangemessen es ist, in jedem Satz „geschlechtergerecht“ sein zu wollen. „Der Tod ist eine Meisterin oder ein Meister aus Deutschland!“ Eine solch bürokratische Formulierung zielt am eigentlich Gemeinten vorbei. Der Satz braucht einen klaren menschlichen Akteur. Einen! Nicht zwei! Und mit lyrischer Sprache hätte es eh nichts zu tun.

Wenn die Sprachgemeinschaft es partout will, dann „geht“ Gendern natürlich. „Gehen“ tut ja bekanntlich sehr viel. Die Frage ist nur: Zu welchem Preis? Wie fühlt es sich an? Welche Tendenzen und Konflikte in der Gesellschaft verstärkt es? Festzustehen scheint mir: Gendern macht die Sprache ärmer, umständlicher, kälter, eckiger. Es macht soziale Unterschiede sichtbarer. Es macht das Sprechen befangen. Es macht (zusammen mit weiteren Formen sprachlicher „Überkorrektheit“) weltanschauliche Unterschiede im Alltag permanent sichtbar und polarisiert die Gesellschaft damit weiter. Wer gilt noch als „fair“ und „gerecht“ und wer nicht mehr? Und bestimmte Dinge „gehen“ gegendert tatsächlich nicht mehr.

Verschwundene (männliche) Sklaven – Wie Gendern unsichtbar macht

Ein Beispiel: Die offizielle deutsche Übersetzung des berühmt gewordenen Gedichts „The Hill We Climb“ von Amanda Gorman, das diese bei der Amtseinführung von Joe Biden vorgetragen hat. Im Original bezeichnet sich die Autorin als „Descended from Slaves“. Sie meint natürlich ihre Abstammung von schwarzen Sklaven in den USA, Frauen wie Männern.

Die deutsche Übersetzung lässt sie aber nur noch von ihren weiblichen Vorfahren sprechen, den „Sklavinnen“. Die Übersetzerinnen wollten unbedingt gendern. Im Deutschen hätte das Versmaß aber das Wort Sklav*innen oder die Worte Sklavinnen und Sklaven nicht vertragen. Der generische Begriff Sklave, den wir alle immer richtig verstanden haben, sollte tabu sein. So verschwanden die männlichen Sklaven aus dem Gedicht.

Hier zeigt sich das Problem: Bestimmte Dinge können gegendert nicht mehr im Deutschen gesagt werden, etwa wenn das Klangliche von Lyrik erhalten bleiben soll. Natürlich kann man – wie in diesem Fall geschehen – die inhaltliche Änderung zu einer inhaltlichen Absicht erklären („feministische Perspektive“). Aber auch dann bleibt es dabei: Das Gedicht könnte gar nicht mehr in seiner genauen Bedeutung übersetzt werden. Es muss inhaltlich geändert werden.

Schlafende Wachende! Zensierte Grammatik als Pfad in den Unsinn

Ein weiteres Beispiel: Judith und Christian Vogt haben ihren Roman „Wasteland“ weitgehend in Gendersprache geschrieben. Es finden sich zwar weiterhin Sätze wie: „Hinterher ist man immer klüger.“ Aber Personenbezeichnungen werden „gendergerecht“ geschrieben. Die Autoren sehen ihren Roman als Beispiel dafür, dass Vorbehalte gegen das Gendern in der deutschen Kultursprache unbegründet seien. Meiner Ansicht nach zeigen sie aber die Grenzen des Genderns auf. Denn die Vogts vermeiden schlicht bestimmte Wörter und „formulieren“ um sie „herum“. Natürlich „geht“ das. Natürlich können viele Vokabeln aus dem Wortschatz gestrichen werden. Man kommt trotzdem irgendwie zurecht. Aber es ist eben ein Verlust für die Sprachgemeinschaft und insbesondere für alle Freundinnen und Freunde eines üppigen vielfältigen Schreibens und Sprechens. Judith und Christian Vogt umgehen in ihrem Roman etwa die „Marktbesucher“, indem sie schreiben:

„Für die, die den Markt besuchen, gibt es bei den Baracken ein Badehaus.“ Und sie vermeiden das Wort Wächter und formulieren: „Das Haus befindet sich nah an der Grenze und auch nah an den Wachbaracken, sodass die Wachenden einem die Hand wieder festzurren, sobald man die Baracke verlässt.“ So kann man es sagen. Aber was passiert, wenn die Wachenden während ihres Dienstes einschlafen? Sind es dann die schlafenden Wachenden? Selbstverständlich lässt sich für diesen Fall eine andere Formulierung finden, oder man verzichtet als Autor schlicht darauf, die Wachenden einschlafen zu lassen. Das zeigt ein weiteres Mal: Gendern bedeutet Amputation sprachlicher Möglichkeiten.

Die Gläubigerin oder der Gläubiger
und ihr*e oder sein*e Schuldnerin oder Schuldner

Der sprachliche Umgang mit der Schuld wird nicht nur in der religiösen Sphäre kompliziert. Eines „aufgedunsenen“ Codes werden wir uns auch in Gesetzestexten, Verordnungen und Satzungen befleißigen müssen, wenn nun ständig benannt werden soll, dass es verschiedene Geschlechter gibt. Hier wird nämlich besonders oft ein Wort für jeden gebraucht als Platzhalter-Subjekt oder -Objekt im Singular. Man nehme etwa § 528 aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Hier geht es nicht um Schuld sondern um Schenkungen. Auch die werden kompliziert. Zum Vergleich[1]:

§ 528 Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers

Soweit der Schenker nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm seinen Verwandten, seinem Ehegatten, seinem Lebenspartner oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.

§ 528 Rückforderung wegen Verarmung des Schenkers oder der Schenkerin

Soweit der Schenker oder die Schenkerin nach der Vollziehung der Schenkung außerstande ist, seinen oder ihren angemessenen Unterhalt zu bestreiten und die ihm oder ihr seinen oder ihren Verwandten, seinem Ehegatten oder seiner Ehegattin oder ihrem Ehegatten oder ihrer Ehegattin, seinem Lebenspartner oder seiner Lebenspartnerin oder ihrem Lebenspartner oder ihrer Lebenspartnerin oder seinem früheren Ehegatten oder Lebenspartner oder seiner früheren Ehegattin oder Lebenspartnerin oder ihrem früheren Ehegatten oder Lebenspartner oder ihrer früheren Ehegattin oder Lebenspartnerin gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht zu erfüllen, kann er oder sie von dem oder der Beschenkten die Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern.

[1]Herzlicher Dank an Dr. Richard Fux für einen wertvollen Hinweis zum Thema Gendersprache in Rechtstexten.

An § 528 BGB wird besonders deutlich, wie absurd eine konsequent „durchsexualisierte“ Sprache wäre. Denn die Benennung der Geschlechter muss hier mit weiteren Faktoren kombiniert werden. So muss die Lebenspartnerschaft parallel zur Ehe in Rechtstexten noch für lange Zeit mitgenannt werden, obwohl sie eigentlich 2017 zugunsten der „Ehe für alle“ abgeschafft wurde. Denn existierende Lebenspartnerschaften bestehen weiter und müssen nicht in eine Ehe überführt oder aufgelöst werden. Zwar durften Verpartnerungen nur zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren geschlossen werden, nicht zwischen Mann und Frau. Spätestens mit dem kommenden Selbstbestimmungsgesetz aber kann ja jeder Mann und jede Frau jederzeit das Geschlecht wechseln. Aus ehemals homosexuellen Paaren können so jederzeit heterosexuelle Paare werden. Alle sich daraus ergebenden denkbaren Kombinationen müssen von Rechtstexten abgebildet werden. (Und dabei sind die nicht-binären Menschen noch nicht einmal „mitgedacht“.)

Auch die Absurdität der Verwendung des Partizips Präsens anstelle des Substantivs wird hier besonders deutlich. So würde es geradezu verheerende Rechtsfolgen haben, wenn „der Schenker“ durch „den Schenkenden“ ersetzt würde. Denn der § 528 BGB beruht ja darauf, dass der Vorgang der Schenkung abgeschlossen und nicht noch im Gange ist („nach der Vollziehung der Schenkung“).

Ein gelungenes Video zur Gendersprache


Fazit zum Kultur-Problem


Problem für den Alltag

Gendern zwingt die Geschlechteraufteilung in alles Denken über die Welt hinein – auch da, wo sie nicht gemeint ist. Die Perspektive in Prosa, Lyrik, Philosophie, Recht wird verzerrt.

Verlust für die Sprache

Wir verlieren den unbefangenen und direkten Zugriff auf das kulturelle Erbe in deutscher Sprache. Treffsicherheit und Schönheit der Sprache nehmen schweren Schaden.

Berufswahl-Mythen

Mit der Sprachrakete ins Weltall

Studien I – Warum Frauen seltener Astronaut werden

Denn sie wissen nicht, was sie tun.

Identitätspolitischer Glaubensatz über Frauen und ihre Berufswahl

Eine Studie mit dem Titel „Yes, I can!“ wird besonders oft zitiert, wenn die positive Wirkung „geschlechtergerechter“ Sprache belegt werden soll. In dieser Studie wurden 591 deutschen und belgischen Grundschulkindern Berufsbezeichnungen vorgelegt, mal nur in der generisch maskulinen Form (Erfinder, Kosmetiker) und mal in Form der Doppelnennung: Erfinder und Erfinderinnen, Kosmetiker und Kosmetikerinnen. Das Ergebnis der Studie wird allerdings oft irreführend wiedergegeben.

Beispiel: Ein Interview der Frankfurter Rundschau vom September 2020 mit Sabine Sczesny, Sozialpsychologin und dezidierte Befürworterin der Gendersprache. Sie bezieht sich ganz offensichtlich auf diese Studie und bewertet deren Ergebnis so: „Wenn die Bezeichnungen sowohl männlich als auch weiblich waren, interessierten sich mehr Mädchen für männlich typisierte Berufe wie bei der Polizei und trauten Frauen in diesen Berufen mehr Erfolg zu. Langfristig kann sich die Sprache so auf die Gesellschaft auswirken.“

Die Polizei kommt in dieser Studie zwar nicht vor. Tatsächlich aber haben in der Untersuchung Mädchen die Frage, ob sie sich etwa den Beruf des Astronauten für sich vorstellen können, ein bisschen(!) häufiger bejaht, sobald nach „Astronautin oder Astronaut“ und nicht nur nach „Astronaut“ gefragt wurde. Hinzu kommt aber ein sehr entscheidender Punkt: Bei den Jungen war das genauso! Auch Jungen trauten sich den Astronautenberuf häufiger zu, wenn die weibliche Form extra genannt wurde.

Im Klartext heißt das: Im Vergleich zu Mädchen trauen sich Jungen einen Job im All immer etwas häufiger zu – egal ob nur die männliche Form genannt wird oder beide Formen. Auch der Abstand zwischen Jungen und Mädchen ändert sich praktisch nicht. Die Studie belegt also keineswegs, dass der Frauenanteil im Weltraum durchs Gendern steigen würde. Im Gegenteil!

Was wirklich zählt auf dem Weg ins Weltall

Immerhin: Die Nennung der weiblichen Variante lässt Männerberufe für alle Kinder etwas erreichbarer erscheinen. Wäre das Gendern also zur Förderung kindlichen Selbstbewusstseins erstrebenswert? Dabei muss man sich allerdings fragen: Warum um Himmels Willen trauen sich auch Jungen den Astronautenberuf eher zu, wenn die „Astronautin“ extra genannt wird? Die Studie selbst legt folgende Antwort nahe: Tätigkeiten, die auch Frauen erledigen, erscheinen Mädchen wie Jungen gleichermaßen als „leichter“. Ursache dürfte sein, dass bisher in der Tat Frauen eher Berufe ausgeübt haben, die als weniger „kompliziert“ gelten. So haben die Studienmacher selbst etwa als typische Männerberufe ausgewählt: „Astronaut“, „Erfinder“, „Bürgermeister“. Als typische Frauenberufe haben sie dagegen gewertet: „Raumpfleger“, „Kosmetiker“, „Blumenverkäufer“. Interessanterweise haben die Jungen den Status der „Männerberufe“ auf einer Skala von 1 – 5 mit 4,09 bewertet, den der „Frauenberufe“ immerhin mit 3,19. Mich überrascht hier positiv, wieviel Respekt Jungen etwa dem Job des „Raumpflegers“ im Vergleich zum „Erfinder“ zollen. Wichtiger ist aber folgendes: Der Effekt „Frauenarbeit ist leichter“ wird verschwinden. Denn schon jetzt wandeln sich immer mehr prestigeträchtige und „komplizierte“ Berufe zu Frauenberufen. Das gilt etwa für die Gewerke Arzt und Lehrer und in begrenztem Umfang zum Beispiel auch für Architekt und Journalist. Und je mehr Frauen ihr Interesse am Maschinenbau entdecken sollten, umso mehr dürfte der Effekt entschwinden. Dann wär‘s vorbei mit dem Booster fürs kindliche Streben in den Weltraum. Der Schaden an unserer Sprache wäre allerdings schon angerichtet.

Antworten aus dem Labor

Solchen Studien ist gemein, dass die Antworten unter „Laborbedingungen“ entstehen und dann der Eindruck erweckt wird, dass der gemessene (und teils minimale) Effekt eine große Auswirkung auf die Lebensentscheidungen von Frauen und Männern habe. Aber wieviel Einfluss hat die bloße Bezeichnung „Astronautin“ auf dem langen Weg vom Grundschulkind zur Weltraumfahrerin wirklich? „Vor allem unterschätzen euphorische Exegeten solcher Tests wie so oft die eigentlich relevanten Faktoren des wahren Lebens. Aus der Sozialforschung sind die Determinanten bekannt, die bei der Berufswahl eine Rolle spielen. Schulabschluss, Arbeitsmarkt, sozialer Hintergrund, Verdienstaussichten, der Rat der Eltern, Talente und Neigungen sind nur einige davon.“ (Marcus Lorenz in „Die Welt“, 30.04.2021)

„Denn sie wissen nicht, was sie tun?“

Das Gendern soll Frauen den Weg in Männerberufe öffnen. Denn die Sprache verfestige Rollenmuster, heißt es. Vehemente Anhänger der Gendersprache sagen deshalb: Wenn wir zum Beispiel durchgehend von „Ärztinnen und Ärzten“ reden, dann fassten mehr Mädchen den Mut, ja kämen erst auf die Idee, klassische Männerberufe zu ergreifen. Aber wie kann es dann sein, dass seit Jahren mehr Frauen als Männer Ärzte werden? Jetzt schon ist jeder zweite Arzt eine Frau, Tendenz steigend. Die Medizin-Studienanfänger sind zu zwei Dritteln weiblich. Derzeit sind bereits 76% der Psychotherapeuten weiblich, die Augen- und Hausärzte schon zu knapp 50%. Bei den Chirurgen beträgt der Frauenanteil allerdings nur 15%. Kann es sein, dass berufliche Präferenzen der Frauen hier die entscheidende Rolle spielen und nicht das Gendern der Berufsbezeichnung?

Männer machen Frauen sichtbar – als Kameramänner und Techniker

Schauen wir in unsere eigene Branche, den Journalismus. Mittlerweile sind fast 50% der Journalisten Frauen, Tendenz steigend. Unter den Rundfunk-Volontären sind es schon gut 60%. Wie konnte es über die Jahre dazu kommen ohne Gendersprache? Allerdings: Wenn ich bei Xing nach „Kamerafrau bzw. Kameramann + Rundfunk und Fernsehen“ suche, dann liefert mir die Suche zu 86% Männer und nur zu 14% Frauen.

Wenn wir uns als Gesellschaft mehr Chirurginnen und mehr Kamerafrauen wünschen, dann sollten wir Mädchen und Frauen die Vorzüge dieser Berufe nahebringen. Das Gendern ist offensichtlich irrelevant. Sonst könnte es nicht so viele Psychotherapeutinnen, Augenärztinnen, Hausärztinnen und Journalistinnen geben.

Scheinwerfer-Effekt

„Sag ma‘, wer ist dein Lieblingsschauspieler? Mann oder Frau, egal.“

Reale Sprachpraxis, die Missverständnisse vermeidet – ohne zu Gendern

Eine Studie, die gern zitiert wird und als Beleg dafür dienen soll, dass Gendern Frauen „sichtbarer“ macht und sie dadurch erst eine „gerechte“ Bewertung ihrer Leistungen erfahren, fand bereits vor 30 Jahren statt. Hier war die bereits erwähnte Sabine Sczesny, Sozialpsychologin und dezidierte Befürworterin der Gendersprache, selbst beteiligt. In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom September 2020 erklärte sie zu dieser Studie: „Eine Gruppe von Teilnehmenden bekam die Aufgabe: ‚Nennen Sie Ihren Lieblingshelden‘, bei der zweiten Gruppe hieß es: ‚Nennen Sie Ihre Lieblingsheldin oder Ihren Lieblingshelden.‘ Die Ergebnisse waren eindeutig. Die eine Gruppe dachte an Superman und andere männliche Helden, die andere häufiger auch an Frauen, beispielsweise an die eigene Mutter oder eine tolle Nachbarin. Die Art der Fragestellung hat also einen Einfluss darauf, ob herausragende Leistungen von Frauen sichtbar werden oder nicht.“

Am Beispiel dieser Studie lässt sich gut verdeutlichen, was an den Gendersprach-Studien insbesondere kritisiert wird – nämlich, wie die Studienmacher ihre Fragen stellen und wie sie die Antworten interpretieren. Das Problem in diesem Fall: Den Probanden werden zwei Fragen gestellt, bei denen in der Sache angeblich genau das Gleiche abgefragt wird. Das stimmt aber nicht. Durch die Änderung der Fragestellung ändert sich auch das, wonach gefragt wird. Das meine ich so:

In der Studie wurde eine Gruppe gebeten: „Nennen Sie Ihren Lieblingshelden“. Diese Aufgabe verstehen viele Menschen natürlich eher als Frage nach einem allgemeinen, fiktionalen Helden. Diese Art von „Helden“ waren bisher ganz überwiegend männliche Figuren, wie Superman, Batman oder James Bond.

Für manche wird „der Held“ vielleicht auch Nelson Mandela oder Mahatma Ghandi sein, häufiger ein Mann, seltener eine Frau wie Mutter Teresa. Denn die „sichtbare“ Geschichte der Menschheit war im Bösen wie im Guten von Männern dominiert. Frauen waren seltener in einer herausgehobenen Position. Das ändert sich nun – zum Glück.

Die andere Gruppe von Studienteilnehmern wurde gebeten, „Ihre Lieblingsheldin oder Ihren Lieblingshelden“ zu nennen. Damit ändert sich die Fragestellung. Jetzt wird ausdrücklich auch nach Frauen gefragt. Diese waren bisher keine Superhelden in Filmen und deutlich seltener berühmte Helden der Geschichte. Natürlich füllt unser Gehirn die Lücke, und viele verstehen die Frage nun in einem erweiterten Sinn. Viele beziehen nun auch den Alltag ein, und plötzlich kommen als „Held“ auch Papa und Mama in Frage. Entscheidend ist also: Welche Antworten sind in dem jeweiligen Kontext überhaupt zu erwarten? Dies ist eine der großen blinden Flecken in den Gendersprachstudien. Es werden Laborsituationen geschaffen, in denen ein „passendes“ Ergebnis wahrscheinlich ist. Das mag ohne Absicht geschehen. Aber das eigene parteiische Erkenntnisinteresse wird beim Studiendesign natürlich immer eine zumindest unbewusste Rolle spielen. Bei geänderter Laborsituation kommen auch andere Ergebnisse heraus. (Mehr dazu auch hier.)

Schon bei der Frage „Wer war Dein Lieblingslehrer in der Schule“ wären Lehrerinnen wohl ähnlich stark in den gedanklichen Fokus gerückt wie ihre männlichen Kollegen. Besonders deutlich dürfte der Effekt auftreten, wenn gefragt würde: „Wer ist der größte Held in Deiner Familie?“ Es würde mich überraschen, wenn die Antworten wesentlich anders ausfielen als bei der Frage: „Wer ist die größte Heldin oder der größte Held in Deiner Familie?“

Es mag durchaus sein, dass auch bei diesen Fragen Frauen etwas häufiger in den Antworten vorkämen, sobald sie extra benannt werden. Aber wäre das dann die „richtigere“ Antwort? Ich habe Zweifel. Denn in einem Sprachsystem mit generischem Maskulinum wird eben genau dieses als neutral verstanden. Durch die Extra-Nennung der weiblichen Form wird der Scheinwerfer gesondert auf die Frauen gerichtet. Das ist so, als würde man in einer Studie der einen Gruppe die Aufgabe geben: „Nennen Sie eine Stadt!“ und der zweiten Gruppe die Aufgabe stellen: „Nennen Sie eine Stadt oder eine Stadt in Nordrhein-Westfalen!“ Ich vermute, in der zweiten Gruppe würden Köln, Düsseldorf, Dortmund, Bielefeld oder Münster plötzlich häufiger erscheinen (Scheinwerfer-Effekt).

Aber überhaupt: Auch jetzt schon „gendern“ wir bei solcherlei Fragen, wenn es um bestimmte Personen geht. In einer gemütlichen Kneipenrunde würden wir umgangssprachlich zum Beispiel fragen: „Wer ist Dein Lieblingsschauspieler? Mann oder Frau, egal.“

Und noch etwas: Wenn das generische Maskulinum zur „Unsichtbarkeit“ von Frauen führt, dann dürften die Probanden etwa von ihrem Liebling unter den Schauspielerinnen und Schauspielern generell eine falsche Vorstellung haben, egal, wie man fragt. Sie denken, es wäre Brad Pitt und nicht Angelina Jolie. Der Irrglaube kann nicht ad hoc durch eine einzige Frage aufgehoben werden. Dies zeigt: In der Studie wurden schlicht zwei verschiedene Dinge abgefragt.

Hinzu kommt: Die Anhänger der Gendersprache wollen, dass wir aufgrund solcher Studien sämtliche „Kundenparkplätze“, „Besucher-WCs“ und „Teilnehmerrunden“ umbenennen. Es wird dabei unterstellt, dass wir immer Menschen mit bestimmtem Geschlecht vor Augen haben, wenn etwa Kundenparkplatz gesagt wird. Das ist aber nicht so. Wenn jemand sagt „Ich gehe zum Bäcker“, dann sieht derjenige ein Gebäude vor sich, vielleicht die sympathische Bäckereifachverkäuferin, aber nicht den „Herrn Bäcker“ am Ofen. Und wenn jemand dann fragt: „Welchen Bäcker meinst Du?“, dann wird die Antwort eher lauten: „Den Bäcker an der Ecke, in die Stadt zu fahren ist mir jetzt zu weit.“ Keiner wird dagegen antworten: „Ich meine Heinrich Meyer, den Bäckermeister an der Ecke.“

Bei generisch maskulinen Personenbezeichnungen geht es in aller Regel um funktionale Zusammenhänge und kein Mensch im deutschsprachigen Raum hatte hierbei bisher auch nur das geringste Verständnisproblem. Oder gibt es Frauen, denen schon mal ein furchtbares Malheur passiert ist, weil sie verzweifelt die „Kundinnentoilette“ gesucht und immer nur eine „Kundentoilette“ gefunden haben. Und genau das gleiche gilt natürlich, wenn wir als Journalisten über „Beitragszahler“ berichten oder uns Gedanken um unsere „Zuschauer“ machen. Dass wir uns dagegen beim Eurovision Song Contest fragen, „welche Sängerin oder welcher Sänger gewinnt“, passt natürlich auch in eine Welt mit generischem Maskulinum bestens hinein. Genau dafür gibt es ja die gesonderte weibliche Endung – für den Fall, dass wir an konkrete Menschen denken. Und so nimmt auch auf ganz natürliche Weise die Beidnennung zu, da Frauen in der öffentlichen Sphäre eine wichtigere Rolle spielen als früher. Eine künstliche Sprachentwicklung durchs Gendern braucht es da nicht.

Falscher Sprachgebrauch

So spricht kein Mensch

Der falsche Sprachgebrauch in Studien zum Gendern

Eine weitere Studie, die gern als Beleg für die „Wirksamkeit“ der Gendersprache genannt wird, ist die „Satzergänzungsstudie“. Hier wird die deutsche Sprache schlicht nicht so angewendet, wie es im Alltag üblich ist. Die Probanden werden aufs Glatteis geführt. Im Endeffekt kommt bei der Studie sinngemäß heraus, dass Menschen sogar klassische „Frauenberufe“ wie etwa den des „Kosmetikers“ eher für einen Männerberuf halten, sobald das generische Maskulinum im Spiel ist. Dieses hat in dieser Logik die Macht, Frauen sogar vom Job der Kosmetikerin abzuhalten. Das ist natürlich Unsinn. In Wahrheit wird in der Studie nicht das Verständnis von Geschlechterrollen ergründet, sondern es werden Sprachverständnis, Sprachgefühl und Grammatik-Kompetenz getestet. Als Argument fürs Gendern kann diese Studie meiner Ansicht nach nicht gelten.

Das Problem der Studie: In ihr werden „Beobachtersätze“ falsch angewendet. Ausgangspunkte sind beschreibende Sätze eines fiktiven Beobachters einer Situation. Zum Beispiel: „Die Spione kamen aus dem Besprechungsraum.“ Der Sprecher sieht also eine Gruppe von Menschen. Wir erfahren nicht, ob es sich um eine gemischte Gruppe aus Frauen und Männern handelt oder ob es nur um Männer oder nur um Frauen geht. Dann wird der Fortgang der Situation beschrieben: „Offensichtlich war eine der Frauen verärgert.“ Die Probanden der Studie sollen nun entscheiden, ob dieser Fortsetzungssatz „passt“, also sinnvoll ist. Die meisten antworten natürlich: Nein. Denn tatsächlich würde kein deutscher Muttersprachler im normalen Leben so formulieren. Wir alle würden folgendes tun: Wenn die Gruppe der Spione nur aus Frauen besteht, würden wir schon im ersten Satz korrekterweise von „Spioninnen“ reden. Wenn es sich um eine gemischte Gruppe handelt, würden wir den zweiten Satz zum Beispiel so formulieren: „Offensichtlich war eine der Frauen unter ihnen verärgert.“ Oder: „Offensichtlich war einer der weiblichen Spione verärgert.“ Oder man würde in der gesprochenen Sprache im zweiten Satz eine ganz besondere Betonung auf das Wort „Spioninnen“ legen: „Offensichtlich war eine der Spioninnen verärgert.“ Oder wir hätten – wissend, dass wir gleich eine konkrete Frau benennen wollen – im ersten Satz schon von „Spionen und Spioninnen“ geredet. Man hätte quasi „gegendert“. Denn in der Welt des generischen Maskulinums ist die Doppelnennung natürlich üblich und angezeigt, wenn sehr konkret über Menschen gesprochen wird. Das generische Maskulinum, das nun komplett ausradiert werden soll, kommt zum Einsatz, wenn „anonym“ von Menschengruppen ganz allgemein gesprochen wird, also etwa in dem Satz: „Ein Leben als Spion ist gefährlich.“ Dieser Satz wird in einem konkreten Text- oder Gesprächszusammenhang in Bezug auf Günter Guillaume genauso selbstverständlich verstanden wie in Bezug auf Mata Hari.

Wie wenig Einfluss das generische Maskulinum in Wahrheit hat, zeigt interessanterweise eine Studie, die eine Ausgangsbasis der Studie bildet, die Nübling und Lobin zitieren. Hier wurden Menschen um Schätzungen gebeten, zu welchem Anteil bestimmte Rollen von Frauen und Männern eingenommen werden. Dafür wurde für 126 Tätigkeiten mal ausschließlich die generische Bezeichnung („Zuschauer“) genutzt, und mal wurden Doppelformen verwendet („Zuschauer und Zuschauerin“). Ergebnis: Der Unterschied in den Schätzungen war gering. Interessant ist vor allem der Blick auf einzelne Rollen wie etwa die des Zuschauers. Hier schätzten die Probanden immer, dass die Rolle fast genau zu 50% von Frauen und Männern eingenommen wird, egal ob „gegendert“ wurde oder nicht. Erstaunlicherweise ist der Frauenanteil bei der Verwendung des generischen Maskulinums sogar minimal höher als bei der Beidnennung der Geschlechter. Das zeigt, dass hier statistische Zufälle eine größere Bedeutung haben als die Variation der Bezeichnungen. Und das passiert bei einer Studie, deren Autoren sich erkennbar eher einen „Effekt“ wünschen als ihn zu bestreiten. (Anmerkung für Nachforschende: Die Studie enthält an einer Stelle einen Übertragungsfehler. Hier wird für männliche „Zuschauer“ der Anteil „40,66“ statt der korrekten „50,66“ genannt.)

Es gibt weitere Studien, die zeigen, dass Gendersprache nicht wirkt. So etwa eine Studie aus Berlin. Hier wurden Probanden gefragt, Menschen welchen Geschlechts sie vor Augen haben bei Sätzen wie „Die Besucher aus Taiwan waren vor allem an der Berliner Architektur interessiert“. Ergebnis: Die Probanden dachten gleichermaßen an Frauen wie Männer. Einen anderen Ansatz wählte eine Studie von 2008 aus dem niederländischen Leiden (auch im Niederländischen gibt es das generische Maskulinum). Hier wurde anhand von Eye-Tracking-Verfahren untersucht, wie lange Menschen brauchen, um bestimmte Sätze zu verstehen. Ergebnis: Die Probanden verstehen Sätze wie „Jeder putzte seine Zähne“ gleichermaßen für Männer wie für Frauen. Hier kam also das Gegenteil von dem heraus, was eine Pro-Gendern-Studie im selben Jahr anhand der „Spione und Spioninnen“ herausfand.

Fazit: Der genaue Blick auf vielzitierte Pro-Gendern-Studien zeigt keineswegs, dass die Gendersprache einen praktischen Nutzen für Frauen (und andere Nicht-Männer) hat. Es gibt auch kein Verständnisproblem beim generischen Maskulinum. Sonst wäre es längst modifiziert, denn eine Sprachgemeinschaft (selbst eine patriarchale) hat kein Interesse an systematischen Missverständnissen. Die Pro-Gendern-Studien provozieren oft Missverständnisse. Vielleicht ist das den Studienmachern mit ihrem „parteiischen“ Fokus gar nicht bewusst. Fatalerweise befeuern diese Studien aber Forderungen nach einer generellen Umwälzung der Sprache.

Ähnlich zu bewerten ist eine von Anhängern der Gendersprache in verschiedenen Varianten weitergereichte Geschichte. Es geht dabei um einen Vater und einen Sohn, die einen schweren Autounfall erleiden. Der Vater stirbt. Der Sohn wird schwerverletzt in ein Krankenhaus eingeliefert. Weiter geht die Geschichte dann zum Beispiel so:

Nur eine sofortige Operation kann ihn retten. Er wird in die chirurgische Ambulanz gebracht. Der Dienst habende Chirurg betritt den Raum, stammelt beim Anblick des Jungen erbleichend: „Ich kann nicht operieren – das ist mein Sohn!

Wie kann das sein? Der Vater ist tot und steht nun als Chirurg am OP-Tisch? Natürlich wird hier bloß das generische Maskulinum irreführend angewendet. Der Chirurg ist Chirurgin – und die schockierte Mutter des Kindes. Wer immer diese Geschichte erlebt und davon erzählt, würde selbstverständlich immer (!) von einer Chirurgin sprechen. Jedem wäre instinktiv klar, dass alles andere eine bewusste Irreführung wäre.

Es ist ein zentraler Denkfehler der Gendersprache: Zwei grundsätzlich verschiedene Sprechsituationen werden vermischt, in denen die Sprachgemeinschaft mit dem generischen Maskulinum schon immer grundsätzlich differenziert umgegangen ist und umgeht:

  1. Sobald wir als Sprecher konkrete Menschen vor Augen haben oder uns an sie wenden, „gendern“ wir. Wir machen das weibliche Geschlecht, ggf. auch das männliche Geschlecht „sichtbar“, sobald es für das Verständnis wichtig ist. (Man mag deshalb vielleicht zu Recht argumentieren, dass etwa bei Stellenanzeigen alle Geschlechter in der Regel benannt werden sollten.)
  2. Wir ignorieren das Geschlecht und verwenden die als neutral empfundene generische Grundform von Personenbezeichnungen, wenn wir keinen konkreten Menschen vor Augen haben und nur „anonym“ über bestimmte Menschen oder Menschengruppen sprechen. So etwa, wenn von neuen Belastungen für Steuerzahler, den Strafen für Umweltsünder oder den Bestimmungen für Kundentoiletten die Rede ist. Jeder Frau weiß und spürt stets und ständig wie jeder Mann, dass auch sie Steuern zahlen muss, für Umweltsünden bestraft und auf Kundentoiletten Erleichterung erfahren kann.

Und so legt auch niemand seinen Gesprächspartner mit der Frage rein: „Zwei Rentner sitzen auf einer Parkbank. Wie heißen sie?“ – wenn es sich dabei um einen Mann und eine Frau handelt. Jeder liefert in diesem Fall immer die wichtige Information zum Geschlecht der Personen mit. Jeder formuliert dann zum Beispiel „Ein Rentnerpärchen (nicht: Rentner*innenpärchen) sitzt auf einer Parkbank. Wie heißen sie?“ oder schlicht: „Eine Rentnerin und ein Rentner sitzen auf einer Parkbank. Wie heißen sie?“