Das Komposita-Problem

Bürger*innenmeister*inkandidat*innen

Das Komposita-Problem

Das „Redepult“ will auch mal was sagen!

Angriff aufs Sprachgefühl

Manch einer wird schon von ihnen gehört haben: den Bürger*innenmeister*inkandidat*innen. Gegendertes Deutsch hat ein gewaltiges Problem mit den wichtigen Komposita, den zusammengesetzten Wörtern. Denn es holpert im Sprechen und Schreiben besonders stark, wenn mitten in einem Wort gegendert wird. Außerdem gibt es viele Wörter, in denen muss innerhalb eines einzigen Wortes gleich zwei- oder dreifach gegendert werden, wenn man „fair“ formulieren will. Bei der Bundestagswahl 2021 ließ sich das Komposita-Problem gut beobachten.

Es gab ja mehrfach ein „Triell der Kanzlerkandidaten“, korrekt gegendert also ein „Triell der Kanzler*inkandidat*innen“. Die meisten gendernden Journalisten vermieden diesen aufgeblähten Begriff allerdings und genderten inkonsequent. Oft hieß es nur „Triell der Kanzlerkandidat*innen“. Manche meinten gar die Sperrigkeit der Gendersprache mit Begriffen wie „Dreikampf ums Kanzleramt“ umschiffen zu können. Aber natürlich muss es „geschlechtergerecht“ immer um das „Kanzler*inamt“ gehen. Und aufgepasst! Mit dem Gendern kommt es innerhalb der Komposita plötzlich auf Singular und Plural an. Es geht um eine (!) Kanzlerstelle aber mehrere (!) Kandidaten. Es muss also heißen: Kanzler*inkandidat*innen und nicht etwa Kanzler*innenkandidat*innen – zumindest solange es kein Kanzlerkollegium an der Regierungsspitze gibt. Die Sprache verbiegt sonst unsere Verfassungswirklichkeit.

Auch die Doppelnennung wird sperrig und es muss auf Singular und Plural geachtet werden: „Triell von Kanzlerkandidatin und Kanzlerkandidaten“. Wie wird es ausgehen? Oft werden wir Journalisten ausweichen. „Das Triell zur Bundestagswahl“. Aber der Focus soll ja auf der Kanzlerschaft liegen. Okay: „Triell zur Kanzler*inwahl“. Puh, geht zur Not. Aber unpräzise. Wer genau duelliert sich da? Kanzlerkandidaten oder Fürsprecher der Kanzlerkandidaten? Oder gegendert gefragt: „Kanzler*inkandidat*innen oder Fürsprecher*innen der Kanzler*inkandidat*innen?“

Die Sprache wird kompliziert. Werden uns bald Verbraucher*innenschützer*innen vor Gift in Lebensmitteln warnen? Kämpfen bald Bürger*innenrechtler*innen um Freiheit in ihren Ländern. Oder wird die Sprache durchs Gendern auch hier „entmenschlicht“. Dann warnt in Zukunft eben nur noch ein „Verband“. Oder wir weichen wieder mal aus ins Passiv: „Es wird um Rechte gekämpft …“. All das verstößt gegen eine Grundregel guter journalistischer Sprache: Wir formulieren möglichst im Aktiv. Wir nennen Ross und Reiter!

Und was ist mit der Einbürger*inung? Egal? Muss nicht sein? Ein bisschen generisches Maskulinum darf sein – wenn es um die Bildung neuer Wörter geht? Werden uns die Aktivist*innen das durchgehen lassen? Wer grundsätzlich das Gendern für notwendig hält, hätte kein triftiges Argument für diese Inkonsequenz. Besonders gruselig könnte es werden, wenn sprachliche „Korrektheit“ im Doppelpack auftritt: „Auf der Einbürger*inungsurkunde steht der Name der oder des Geflüchteten.“ Wird man in Zukunft eine übereifrige Chefin wirklich als Sklav*innentreiberin schmähen wollen? Wie steht es um die Mitwisser*inschaft? Was machen Historiker mit dem Bauernkrieg? Nennen sie ihn bald den Bäuer*innenkrieg? Nein, es wird sich ein neuer Name finden, vielleicht der „Landvolkskrieg“? Naja, manche empfinden das Wort „Volk“ heute als „nationalistisch“. Ernsthaft vorgeschlagen wird: „Krieg der landbewirtschaftenden Bevölkerung“ (geschicktgendern.de).

Wenn einem das Redepult wieder mal dazwischenquatscht …

Viele Komposita stehen jetzt grundsätzlich auf dem Index und sollen umgeformt werden. So sollen wir nicht mehr an ein Rednerpult treten, sondern an ein Redepult. Wieder verliert die Sprache damit an Richtigkeit und an Variantenreichtum. Ich hole kurz aus:

Die Sprechpuppe spricht, die Tragetasche trägt, der Spazierstock spaziert mit, die Sitzecke sitzt auf dem Boden und der Mensch obendrauf.

Das Rednerpult dagegen redet nicht. Es redet auch nicht mit. Das Rednerpult ist eine Abstellgelegenheit für Papier und Wasserglas. Es hält aber den Mund. Das Redepult hingegen will auch mal was sagen.

Die Teilnehmerliste erfasst Menschen mit Namen, Adresse und dergleichen. Eine Teilnahmeliste braucht nur Striche, zum Beispiel 10 Striche für 10 Teilnahmen.

Es ist schade. Bisher konnten wir nach Sprachgefühl differenzieren, ob der Vorgang oder die Person im Mittelpunkt des zu Beschreibenden stehen soll. Der Hütehund betont etwas anderes als der Hirtenhund. Diese Unterscheidungsmöglichkeit wird mit der „geschlechtersensiblen“ Sprache ganz unsensibel ausrangiert. Natürlich ist die deutsche Sprache auch jetzt schon nicht in allen Fällen konsequent. Aber es gibt Regeln, die uns Ausdrucksmöglichkeiten verleihen. Und diese Chancen schwinden mit der Gendersprache. Die Sprache verarmt.


Fazit zum Komposita-Problem


Fazit für den Alltag

Gendern bedeutet, viele Wörter aufzublähen oder abzuschaffen. Die Alternativen werden oft unhandlich, unpersönlich und unpräzise sein.

Verlust für die Sprache

Die Komposita sind eine besondere, berühmte Möglichkeit des Deutschen. Gendern macht ihre Verwendung oft geradezu unmöglich.

Hier geht es weiter zu den „unfairen“ Pronomen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert